Freie Universität Berlin,
Fachbereich Mathematik und Informatik
Institut für Informatik,
AG Informatik in Bildung und Gesellschaft
Lehrveranstaltung Partizipation im Internet im WS02
Software ist ein digitales Produkt, das in seiner Kopie ebenso viel "wert" ist, wie im Original. Um für jede Kopie der Software Geld verlangen zu können, sehen Firmen die verkaufte Software im juristischen Sinne nicht als das Eigentum an, über das der Käufer uneingeschränkt herrschen kann. Software bedarf der Lizensierung, und im Rahmen dieser Lizensierung wird verlangt, dass man die Software nicht weitergibt. Es werden sogar teilweise unsinnige Verhaltensweisen gefordert, denn es wird auch oft geregelt, wieviele Sicherheitskopien man besitzen darf.
Gerade Quasie-Monopolisten haben besonders viel davon, auf die Bezahlung jeder Kopie zu bestehen. So wie bei Microsoft das Windows-Betriebssystem die Vorasussetzung für die PC-Benutzung mit gängiger Software darstellt. Häufig erwirbt man auch nur noch Software, die für die Benutzung mit einem bestimmten System voreingestellt ist und woanders gar nicht mehr funktioniert.
Um nicht nur die Kopierbarkeit unter Endverbrauchen einzuschränken, sondern auch zu vermeiden, dass sich andere Firmen die eigene Programmierleistung zu nutze machen, wird der Quelltext gewöhnlicher Software nicht veröffentlicht und auch nicht mitgeliefert. Er ist nicht einmal einsehbar und wird als Firmengeheimnis streng gehütet.
Es gibt aber auch Personen, die ohne finanzielle Interessen Software entwickeln und weiterentwickeln. Je nachdem, wie stark sie die Zügel (den Quelcode) in der Hand behalten und ob sie die Software unter Lizenz stellen unter nicht kann man vier Kategorien unterscheiden:
Quelltext beim Autor | Quelltext verbreitet | |
---|---|---|
keine Lizenz | Freeware | Public Domain Software |
Lizenz | Shareware, Closed License (übliche kommerzielle Software) | Free Software, Open Source Software |
Zur Produktivitätssteigerung ermöglichen es manche Autoren auch Fremden, das Produkt fortzuentwickeln, indem sie die Quelltexte offen halten und somit "Open Source Software" schreiben.
Die Aufzählung einer kleinen Auswahl erfolgreicher Open-Source-Projekte deutet es an: Die Idee freier Software ist nicht theoretisch konstruiert, sondern ist von sich aus aus dem digitalen Medium Internet durch praktische Arbeit geboren worden.
Das Internet ermöglicht mit seiner digitalen Informationsvermittlung nicht nur den rein kommunikativen Austausch. Digitale Arbeitsmaterialien wie Software können über das Internet zum Gegenstand örtlich und zeitlich verteilter Arbeit werden.
Hier folgen ein paar Links zu den in der Vorlesung erwähnten Projekten:
Apache Group: www.apache.org (Webserver Apache)
KDE: www.kde.org (Freie Fensteroberfläche, die ein halbkommerzielles Window-Toolkit benutzt)
GNOME: www.gnome.org (Freie Fensteroberfläche, die ein freies Window-Toolkit benutzt)
LaTeX: www.dante.de
Einer der ersten, die sich um das Phänomen freier Software Gedanken machte und eine Ideologie darum propagierte, ist Richard M. Stallman.
Richard M. Stallman (in Insider-Kreisen gerne RMS abgekürzt) ist Gründer der Free Software Foundation (FSF), einer Organisation, die sich mit der Förderung freier Software beschäftigt. Wie er dazu kam, diese Rolle zu spielen, ist in der Vorlesung nach einem Gastvortrag am 10.11.1999 an der FU nacherzählt.
Free Software Foundation www.gnu.org
Richard Stallmans Gastvortrag
am 10.11.1999 an der FU:
Videodokumentation des Zentrums für Digitale Medien,
"Der fundamentale Akt von Freundschaft unter denkenden Wesen besteht darin, einander etwas beizubringen und Wissen gemeinsam zu nutzen. Dies ist nicht nur ein nützlicher Akt, sondern es hilft die Bande des guten Willens zu verstärken, die die Grundlage der Gesellschaft bilden und diese von der Wildnis unterscheidet. Dieser gute Wille, die Bereitschaft unserem Nächsten zu helfen, ist genau das, was die Gesellschaft zusammenhält und was sie lebenswert macht. Jede Politik oder jedes Rechtssystem, das diese Art der Kooperation verurteilt oder verbietet, verseucht die wichtigste Ressource der Gesellschaft. Es ist keine materielle Ressource, aber es ist dennoch eine äußerst wichtige Ressource." (Richard Stallman)
Zitat aus Volker Grassmuck: Freie Software zwischen Privat- und Gemeineigentum freie-software.bpb.de (Buch und Webserver der Bundeszentrale für politische Bildung)
Im Rahmen des GNU-Projektes sollte ein freies Unix-Betriebssystem entstehen. Die Abkürzung ist ein rekursives Hacker-Akronym und steht für "GNU's Not Unix". Viele Tools sind für Unix dabei entstanden, allerdings nicht der eigentliche Kernel...
Neben der engagierten Wahrnehmung einer neuen Sruktur ist Richards Stallmans größter Verdienst wahrscheinlich die Schaffung einer eigenen Lizenz, der GNU General Public License (GPL). Bei eigener Software einfach nur (wie im anglo-amerikanischen Recht möglich) auf die eigene Urheberschaft zu verzichten und sein Produkt damit zur "public domain" zu erklären, reichte ihm nicht.
GPL auf den Webseiten der Free Software Foundation: www.gnu.org/copyleft/gpl.html [englisch] [deutsch]
Jeder Informatiker sollte sich so eine Lizenz einmal ganz genau angesehen haben. Beantwortet daher folgende Fragen:
SCO erklärt die GPL für ungültig, Heise-Newsticker vom 14.08.2003
SCO vs. Linux: Ohne Profitstreben kein Copyright, Heise-Newsticker vom 8.12.2003
Im Zusammenhang mit der Debatte um das Digital Millenium Copyright Act (DMCA) in den USA wurde auch überlegt, die Achtung von Urheberrechten und das Nicht-Kopieren von Software zum Pflichtprogramm im allgemeinen Schulunterricht zu machen.
Für Richard Stallman ist solch eine Erziehung undenkbar. Aus eigener Erfahrung damit konfrontiert, dass Lizensen ihn davon abhalten, Freunden zu helfen, würde dieses eingetrichterte Kopier-Verbot nur zu noch mehr Egoismus und weniger Hilfsbereitschaft führen, was der eigentliche Gegenstand des Unterrichts war und weiterhin sein sollte.
Funktionierende Betriebe sind auf Absatz angewiesen. Diesen erreichen sie nur mit Produkten, die von dem Menschen gebraucht werden. In unseren Industriegesellschaften sind wir mit vielen Produkten gesättigt. Ein Unternehmen muss daher neue Produkte konzipieren, um zu überleben.
Vor dem Hintergrund, dass industriell gefertigte Produkte Rohstoffen bedürfen, die zudem natürlicher Verknappung unterliegen, identifizierte der französische Ökonom Jean Fourastié in den fünfziger Jahren die Transformation zur wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft als die 'große Hoffnung des 20 Jahrhunderts': Die Wertschöpfung verlagert sich "zunehmed auf immaterielle Güter und vor allem auf höherwertige Dienstleistungen in den Bereichen Forschung, Bildung, Beratung Kultur und Unterhaltung. Immatrielle Güter sind keinen Wachstumsgrenzen unterworfen." (Sietman)
Kosten und Umsatz im Lebensverlauf eines Produkts
Digitaler Überfluss und Mangel durch Software Patente
Probleme bei der Preisgestaltung Digitaler Produkte, bei denen die variablen Kosten gegen 0 gehen
"Wenn Wissen ein handelbares Gut werden soll, muss das Gut künstlich verknappt, die Verwendung eingeschränkt werden. Das geht nur mit juristischen Nutzungsbeschränkungen: Indem das staatlich verbriefte Monopol in Gestalt von Patenten oder Copyrights zu einem handelbaren Ausschließungsrecht wird, entsteht für diese immateriellen Güter ein Markt, der sie mit einem Preis belegt und damit die Risiken besser kalkulierbar macht." (Sietman)
Wissen baut sich aus Informationen auf. Je mehr Informationen verfügbar sind, desto umfassenderes Wissen kann aufgebaut werden. Idealisten schätzen Neugierde und Wissen als befriedigende Entfaltungsmöglichkeit der Persönlichkeit. Demokraten sehen die Grundlage vernünftiger Gesetzgebung in der allgemeinen Informiertheit der Bevölkerung, die über die Zusammensetzung der Gesetzgebungsorgane bestimmt. Auch Ökonomen liegt an der freien Informationsverbreitung: die freie Marktwirtschaft funktioniert nur, wenn sich alle Marktteilnehmer über Anbieter und Produkte informieren und rational entscheiden können. Arbeitgeber brauchen für die Bewältigung komplexer Aufgaben gebildete Arbeitnehmer.
Wissen soll über die Schule allgemein (für alle und auf allen Gebieten) aufgebaut werden. Beamtete Lehrer vermitteln den Unterrichtsstoff und auch die Forschung wird gesellschaftlich über Forscher im Staatsdienst gefördert.
Mehr dazu unter www.wissensgesellschaft.org der Heinrich Böll Stiftung
Wenn das Ziel in der Schaffung von Wissen liegt, wie lässt sich dies erreichen? Einerseits durch qualitativ hochwertige Produkte, die der Wissenvermitlung dienen. Andererseits durch ihre leichte Verfügbarkeit. In dieser Schere sitzt auf der einen Seite die Institution Schule, deren finanzielle Mittel beschränkt sind. Auf der anderen Seite die Schulbuchverlage, die in die Aufarbeitung von Wissen investieren und daraus hochwertige Produkte formen. Hier fanden viele Pädagogen Anstellung, die nicht in den Schuldienst übernommen werden konnten (oder selbst nicht wollten). Letztlich wird ihre Arbeit von der Schule finanziert.
Werden die Lehrmedien in der Schule bereitgestellt, dienen sie dem "Lernen für das Leben". Das vielgeforderte lebenslange Lernen verlangt aber eine Verfügbarkeit des Wissen über die Ausbildungszeit hinweg. Auch in diese Nischen stoßen Produktanbieter, zunehmend aus der Informatikbranche, die die Kompetenz der Mitarbeiter innerhalb einer Firma vernetzen oder Telelearning-Angebote bereitstellen.
In der Diskussion um die Privatkopie, die in Deutschland erlaubt ist, geht es im Allgemeinen darum, nicht die privaten Bereiche des Lebens regeln zu wollen, in denen ohnehin keine Kontrolle stattfindet. Prof. Hoeren stellt klar, dass vor allem das verbriefte Recht auf die Privatkopie auch nicht aus reinem Pragmatismus geschaffen worden sei, weil man nicht alle Welt verklagen und die normalen Bürger als Kriminelle abstempeln wollte. Hinter der Überlegung steht das Recht auf den Zugang zum verfügbaren Wissen. Dies ist keine allein deutsche Regelung, sondern sogar eine völkerrechtliche Vereinbarung der Mitgliedstaaten der World International Property Organisation (WIPO).
Die Zeit, 24/2002: Digital Rights Management (DRM) und die digitale Privatkopie
Prof. Thomas Hoeren in der Heise-Meldung vom 29.01.2002: Informationsfreiheit hat Priorität vor dem Urheberrecht
Was macht eine Software zur Open Source Software? Vor allem ist es die Lizenz, unter der eine Software verbreitet wird. Es gibt mittlerweile vielfältige Arten von Softwarelizenzen. Um zu vermeiden, dass Produkte unter dem Label "Open Source" vertrieben werden, die jedoch nicht dem Open Source-Gedanken entsprechen, haben sich namhafte Vertreter dieser Gattung zusammengeschlossen, um Open Source zu definieren und somit eindeutig festzustellen, welche Softwarelizensen dem Open Source Gedanken entsprechen. Im folgenden soll ein gebräuchliches Muster einer kommerziellen Softwarelizenz mit gängigen Open Source-Lizenzen verglichen werden.
Die ursprüngliche Bezeichnung "free software" führte insbesondere
im englischen Sprachraum zu fehlinterpretationen, so sehr Richard
Stallman auch immer betonte: "
Lizenzen, die diese Forderungen erfüllen, dürfen sich "Open Source Lizenzen" nennen.
Open-Source-Definition der Open-Source-Initiative (OSI) mit kurzen Erläuterungen: www.opensource.org/docs/definition_plain.php [Englisch] [Deutsch]
Welche Informationen müssen in abgeleiteter Software mitgeliefert werden?
Meist gehört dazu die Aufforderung, dass ein Haftungsausschluss und die Lizenz selber enthalten sein muss. Manchmal auch eine Historie der Programmveränderungen.
Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von anerkannten Open-Source-Lizenzen. Am 16.12.2002 sind auf dem License-Index der OSI 37 Lizenzen expliziert aufgeführt. Hier eine Auswahl:
Kommerzielle Lizenz, "End User License Agreement" (EULA) | GPL | US-Uni-Lizenzen, wie BSD | Artistic License | OS-Firmenlizenzen (QPL) | |
---|---|---|---|---|---|
Voraussetzung zur Nutzung: | Käuflicher Erwerb, Nutzung nur von einer Person und nur auf einem (bestimmten) Rechner | keine (Person, Rechner, Zweck) | Verwendung in freier Umgebung | ||
Urheber: | Als Urheber tritt die Firma auf, nicht der Programmierer | Der (initiierende) Programmierer oder "public domain" | |||
Quelltexte: | Wichtiges Firmengeheimnis | Muss beiliegen (oder per Internet leicht verfügbar sein) | |||
Weitergabe: | verboten, oft nur max. eine Sicherheitskopie erlaubt | als Ganzes oder als Teil eines neuen Produkts erlaubt, sowohl Verkauf als auch Verschenken ist gestattet. | Keine Einschränkung für Binaries und Quelltexte. | Keine Einschränkung, darf auch in kommerziellen Programmen eingebunden werden. | Keine Einschränkung für Binaries und Quelltexte. |
Regeln für abgeleitete Software: | käufliche Lizensierung | Lizenz ist wieder GPL | Copyright-Notiz, Lizenz und Haftungsausschluss, kein Werben mit ursprünglichen Programmierern ohne deren Einverständnis | nur kleinere Änderungen | Muss wieder unter einer freien Lizenz stehen |
Haftung: | "Keine Software ist fehlerfrei." Gewährleistung nur für Grundfunktionalität. | Genereller Haftungsausschluss. | |||
Beispiele: | Microsoft Windows 98 EULA | GNU-Programme, Linux |
BSD-Unix (Mac OS X) | Perl (Onlineshops) | QPL für das Qt-Window-Toolkit (Basis von KDE) |
Weitere Informationen in Volker Grassmuck: Lizenzmodelle mikro.org/Events/OS/text/lizenzen.htm
Artikel zur Open-Content_lizenz, die für Kontinentaleuropa angepasst wird
In der Vorlesung wird ein Überblick über Softwareentwicklungsprozesse gegeben. Dies ist eine Zusammenfassung einer für einen anderen Kurs gehaltenen Vorlesung.
Systementwicklung Postscript-Dokument
Richard Stallman hat sich um den Gedanken freier Softwareverbreitung verdient gemacht, hat dem Prozess jedoch wenig Beachtung geschenkt, was sicherlich eine der Ursachen ist, dass sein Team von Linus Torvalds bei der Entwicklug eines Linux-Kernels überholt wurde. Eric S. Raymond hat sich beim Betrachten des Linux-Kernels gewundert, wie ein so gutes Produkt überhaupt ohne sichtbares Konzept entstehen konnte und den erfolgreichen Entwicklungsprozess in freien Softwareprojekten untersucht und mit zahlreichen Analogien im Artikel "The Cathedral and the Basar" herausgearbeitet. Einige Stichworte des Artikels sollen hier kurz wiedergegeben werden.
Eric S. Raymond: "Die Kathedrale und der Basar" (deutsche Übersetzung) www.linux-magazin.de/ausgabe/1997/08/Basar/basar.html
(nach Karl Fogel: "Open Source Projekte mit CVS")
(nach Karl Fogel: "Open Source Projekte mit CVS")
Studie: Open-Source-Software neigt zu weniger Fehlern
Autor | Titel | Veröffentlichung | Quelle |
---|---|---|---|
Helmut Balzert | Lehrbuch der Software-Technik | 1998 | Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg |
Karl Fogel | Open Source Projekte mit CVS | 2000 | MITP, Bonn |
Volker Grassmuck | Lizenzmodelle | RFC ver 1.0, 18. August 2000 | mikro.org/Events/OS/text/lizenzen.htm |
Marshall McLuhan | Die magischen Kanäle - Understanding Media | 1964, 1992 | Econ, Düsseldorf |
Open Source kurz & gut | 1999 | O'Really, Köln | |
Richard Sietmann | Wissen ist Geld: Urheberschutz, 'Geistiges Eigentum' und die Rechteverwerter | 2002 | In: c't 24/2002, S. 108ff, Heise-Verlag Hannover |
Don Tapscott | Net Kids: Die digitale Generation erobert Wirtschaft und Gesellschaft | 1998 | Gabler, Wiesbaden |
Ulrich Wolf | GPL & Co | 1999 | Linux-Magazin 11/99, Linux Magazin Verlag München |
Weitere Literatur zur Veranstaltung
Letzte Änderung: 2002-12-17, Marco.Rademacher@inf.fu-berlin.de