Freie Universität Berlin,
Fachbereich Mathematik und Informatik
Institut für Informatik,
AG Informatik in Bildung und Gesellschaft
Lehre Partizipation im Internet im WS02
Ein Substantiv schreibt man im Deutschen groß. Kindern erklärt man gerne, dass man alles, was man anfassen kann, groß schreibt. Größtenteils lassen sich körperliche Gegenstände der realen Welt tatsächlich anfassen. Doch schon bald kommen Widersprüche auf, denn wir sind nicht nur zur Beschreibung unserer realen Welt imstande, sondern können auch abstrakte Strukturen mit Worten benennen: Gemeinschaft, Besitz, Liebe, usw.
In der Welt der alten analogen Medien sind konservierte Informationen immer an ein Medium gebunden, das man auch anfassen kann, während die Information selbst abstrakt ist wie die Seele im Verhältnis zum Körper und einen ebenso hohen Stellenwert genießt.
Mit den digitalen Medien fallen Transport und Speicherung von Informationen wesentlich leichter und können losgelöst vom Medium behandelt werden.
Eigentum von Dingen | |
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Man besitzt einen Gegenstand, wenn man ihn kontrolliert, indem man ihn in den Händen hält, in der Hosentasche trägt oder ihn in der eigenen Wohnung eingeschlossen hat. In der realen Welt findet man den Besitz als Zuordnung eines Gegenstands zu einem Individuum schon in der Tierwelt. Eigentum ist eine neuere Konstruktion des Menschen, dem die Annahme zugrunde liegt, dass jegliches Ding einem Menschen (oder einem Kollektiv) zugeordnet ist und ihm gehört. | |
Bedarf an Ressourcen | |
Die Ressource kann für andere einen Wert bedeuten. Sie kann interessant sein, kann aber auch lebensnotwendig sein. | |
Macht über Menschen | |
Die Möglichkeit, als "Eigentümer" über eine Ressource bestimmen, sie also anderen auch entziehen zu können, verleiht dem Eigentümer Macht über andere, deren Stärke von der Größe seiner Monopolstellung abhängt. Auf der anderen Seite konkurrieren Individuen um Ressourcen, und je größer die Konkurrenz, desto größer ist der Druck und die Bereitschaft, sich der Macht des Ressourcen-Kontrollierenden zu unterwerfen. |
Zum einen
Zum besseren Verständnis zählen wir erst auf, welche Güter wir als materiell und daher unteilbar verstehen und welche Güter immatriell sind und daher auch mit anderen geteilt werden können. Ersteres entspricht der traditionellen analogen Welt, zweiteres der neuen digitalen Welt.
Analoge Welt | Digitale Welt |
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Güter | |
einzig, 1:1 Beziehungen, Besitzverhältnis, materiell | unendlich, frei, "shareable", immateriell |
ein Menschenleben | (virtuelle Identität, Nickname) |
Werkzeug | Software |
Nahrung | "geistiges Futter" Information |
Wohnung | Speicherplatz, Homepage |
"die" (monogame) Beziehung | Liebe |
Geld | Aufmerksamkeit |
Mehr unter www.anarchie.de, weiterer konkreter Definitionsversuch
Im Internet sind alle digitalen Ressourcen unendlich, solange sie nicht einen Platzhalter eines realen Etwas sind (E-Mail-Adressen, Homepage-Adressen, reale (Marken-)Namen). Daher bedarf es im "anarchischen" Netz so gut wie keiner Regelung: wer sich bedroht fühlt, wechselt zu einer anderen Ressource oder schafft sich selbst eine neue. Die Tatsache, sich per "Disconnect" jederzeit entziehen zu können, und die Unendlichkeit der Ressourcen führt zu einer Aufhebung von Machtstrukturen, die ja gerade von potentieller Gewalt über Ressourcen geprägt ist. Um am Netzleben teilnehmen zu können, wird von den Netzbewohnern eine neue, intensivere Art von Aufmerksamkeit, Verbindlichkeit und Freundlichkeit gefordert. Zuwendung für andere, ob in Form von Liebe oder Software, ist somit ein eher zwangsläufiges Phänomen.
Wirtschaftliche Aspekte der Geld-Ökonomie
Georg Franck schreibt "zur Ökonomie der Aufmerksamkeit". Zu diesem Titel ist 1998 ein Buch von ihm erschienen.
"Zwei Tendenzen beherrschen die Wahrnehmung des aktuellen Wandels der Gesellschaft. Es sind die fortschreitende Ökonomisierung des Gesellschaftsprozesses und die Entmaterialisierung der wirtschaftlichen Wertschöpfung. Ökonomische Begriffe und Modelle bestimmen immer deutlicher das Bild der sozialen und politischen Verhältnisse unserer Gesellschaft. Mit der ökonomischen Durchrationalisierung einher geht der Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft. Die Wissensproduktion beerbt die Führungsrolle der Schwerindustrie, Datenströme ersetzen Güterströme, neue Medien verdrängen alte Marktplätze."
Informationsökonomik handelt von den Vorzügen des Informiertseins und rechnet mit dem knappen Gut "Information". Information ist heute aber nicht knapp, sondern im Überfluss durch Privatfernsehen, Internet, Wissenschaft.
Problematisch: Ressource "Verstehen" ("Informationsverarbeitung") wird ökonomisch kaum berücksichtigt, braucht jedoch Zeit und ist nicht zu beschleunigen.
"Die gezielte Steigerung des Wirkungsgrads dieser Techniken und die Entwicklung spezifischer Energiespartechniken der Informationsverarbeitung lassen von etwas wie Informationsökonomie erst reden. Die Informationsgesellschaft ist diejenige Gesellschaft, in der die Techniken zur Steigerung des Wirkungsgrads geistiger Energie wichtiger geworden sind als diejenigen zur Steigerung des Wirkungsgrads physischer Energie."
Wissenschaft ist Basis der Wissensgesellschaft, aber wie wird der Wert wissenschaftlicher Erkenntnisse mit einem Preis belegt? "Wissenschaftliche Hypothesen, Theoreme und Tatsachen werden nicht gegen Höchstgebot verkauft, sondern publiziert. Mit der Publikation werden sie der Allgemeinheit frei zugänglich gemacht. Also kann es auf keinen Fall die Bereitschaft zur Geldzahlung sein, an der sich der Wert wissenschaftlicher Information bemisst. Die Zahlung in welcher Währung könnte es aber dann sein? [...] Geld, dieser Eindruck verdichtet sich, ist nicht mehr alles."
Geld "stinkt" und reicht nicht, um zu gelten. Es dient v.a. der Selbstinszenierung, denn "Generalnenner heutiger Eliten ist Prominenz".
Nach Befriedigung der Grundbedürfnisse des Leibes rückt die eigene Person ins Zentrum und Selbstwertschätzung wird wichtiger.
"Weil inzwischen das Geschäft der Attraktion mit einer Professionalität und einem technischen Aufwand betrieben wird, der denjenigen des Geldmachens nicht mehr nachsteht, werden wir mit Information sintflutartig überschwemmt."
Die neue Währung heißt Aufmerksamkeit. "Aufmerksamkeit ist die knappste Ressource der Informationsverarbeitung. Aufmerksamkeit ist es, die wir als Zuwendung miteinander tauschen. Aufmerksamkeit ist die Währung des immateriellen Einkommens. Die Aufmerksamkeit, die sie findet, ist das Maß für den Nutzwert von Information."
"Wie Geld wird Aufmerksamkeit chronisch knapp, sobald das Angebot an Verwendungsmöglichkeiten über die Möglichkeiten seiner Realisierung hinausreicht. Im Gegensatz zur Geldmenge ist das Aufkommen an aufmerksamer Energie aber nicht vermehrbar." Daher wird die Rolle der Aufmerksamkeit immer wichtiger im Vergleich zum Geld.
"Die Art der Deklaration, ohne die fremdes geistiges Eigentums nicht verwendet werden darf, ist das Zitat. Die Gebühr, die dabei anfällt, ist die stillschweigende Überweisung eines Teils der Aufmerksamkeit, die der Zitierende für sein Werk einnimmt, auf das Konto des Zitierten. Das reguläre Maß wissenschaftlicher Information ist die Häufigkeit, mit der sie zitiert wird. Das Konto der Zitate des Autors misst dessen wissenschaftliche Produktivität [s. Science Citation Index]. Es misst diese Produktivität an derjenigen, die der Output als Input wieder anderer Produktion entwickelt. Die Messung des Outputs der Produktion an der Produktivität, die er als Input anschließender Produktionsstufen entwickelt, ist die ganz reguläre Art und Weise, auf die der Wert von Kapitalgütern gemessen wird."
Aus dem Leben der Stämme - Geschenkökonomie als Marketingexperiment. Marcus Hammerschmitt, Telepolis, 26.04.2004
Freie Software Powerpoint, basierend auf dem Buch "Freie Software zwischen Privat- und Gemeineigentum" von Volker Grassmuck
Würdigung und Kritisierung des Buchs "Freie Software zwischen Privat- und Gemeineigentum" im Artikel Die Arbeit der E-Hippies von Marcus Hammerschmitt, Telepolis, 01.02.2004
Autor | Titel | Veröffentlichung | Quelle |
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Heiko Ernst | Psycho Trends: Das Ich im 21. Jahrhundert | 1997 | Piper, München |
Karl Fogel | Open Source Projekte mit CVS | 2000 | MITP, Bonn |
Marshall McLuhan | Die magischen Kanäle - Understanding Media | 1964, 1992 | Econ, Düsseldorf |
Nicolas Negroponte | Total Digital - Die Welt zwischen der 0 und 1 oder Die Zukunft der Kommunikation | 1995, 1997 | Goldmann, Bertelsmann, München |
Open Source kurz & gut | 1999 | O'Really, Köln | |
Don Tapscott | Net Kids: Die digitale Generation erobert Wirtschaft und Gesellschaft | 1998 | Gabler, Wiesbaden |
Weitere Literatur zur Veranstaltung
Letzte Änderung: 2004-02-04, Marco.Rademacher@inf.fu-berlin.de