Freie Universität Berlin, Fachbereich Mathematik und Informatik
Institut für Informatik, AG Informatik in Bildung und Gesellschaft

Ökonomie der Wissenschaft

Lehrveranstaltung:
Partizipation im Internet im WS02
Partizipation im Internet im WS03

Wenn Wissen "geschaffen" wird, dann heißt das, dass wir Information, die der wissenschaftlichen These zugrunde liegt, mit dem Wahrheitswert "wahr" belegen. Das vorhandene Wissen bildet ein Gerüst, auf dem sich das neue als Basis stützen kann. Einem Wissenschaftler bleibt also nichts anderes übrig, als dieses vorher von anderen aufgebaute Wissen mit einzubeziehen, indem er es zitiert. Einerseits sichert er die eigene Arbeit damit ab (die Folgerung aus der Logik). Andererseits erkennt er aber auch die Arbeit der anderen an. Das Zitat in der Wissensökonomie ist damit ähnlich elementar wie der Vertrag in der materiellen (Geld-) Ökonomie.

Ich schreibe, also bin ich

Um den eigenen Wert (und damit auch den der eigenen Arbeit) zu erhöhen, kann das Zitat auch benutzt werden, um zu zeigen, wieviel Wissen man bereits angesammelt hat. Bediente man sich anerkannter Autoren, so wird einem auch dadurch eher Anerkennung zuteil.

Im Lehrbetreib der Uni wird man sich in der studentischen Ausarbeitung vor allem auch die Literaturliste genau ansehen. Es soll auch Dozenten geben, die sich damit begnügen. Andererseits muss man sich dann auch als Student Detailfragen gefallen lassen, falls der Dozent das behauptete Lesepensum anzweifelt. Einem anderen Wissenschaftler gegenüber ist das weniger Praxis, was nach folgender These offenbar von vielen ausgenutzt wird.

Florian Rötzer schreibt über die These von Mikhail Simkin und Vwani Roychowdhury: "Aufgrund einer statistischen Analyse lesen nur 20 Prozent der Wissenschaftler die Quellen, auf die sie in wissenschaftlichen Artikeln verweisen"

"Mikhail Simkin und Vwani Roychowdhury vom Department of Electrical Engineering der University of California in Los Angeles glauben festgestellt zu haben, dass viele Wissenschaftler nicht einmal die Artikel wirklich gelesen haben, die sie zitieren. Darauf gestoßen sind sie, weil im Science Citation Index Literaturverweise häufig fehlerhaft sind - und weil sich die Fehler in der Schreibweise erstaunlich oft identisch wiederholen. Hätten sie allerdings nicht bei den Naturwissenschaftlern, sondern bei den Sozial- und Geisteswissenschaftlern nachgeforscht, deren Publikationen oft genug mit einem Heer an Literaturverweisen aufwarten, wären ihre Ergebnisse sicherlich noch wesentlicher eindeutiger ausgefallen. Schließlich müssen 'weiche' Wissenschaften noch mehr in Aufmerksamkeit investieren."

"Wenn man sich mit Prominenz umgibt, dann kann auch der eigene Aufmerksamkeitsmarktwert steigen und der Inhalt an Glaubwürdigkeit gewinnen."

Beurteilung wissenschaftlicher Beiträge

Andreas Grote schreibt über die These von Charlene und Andrew D. Miall: "Forscher beurteilen Studien mehr nach ihrer Herkunft als nach ihrem wissenschaftlichem Wert" nach genauerer Betrachtung des "Exxon-Effekts".

"Auch Wissenschaftler sind nur Menschen und vertrauen wie wir alle zuweilen auch mal nur dem Schein. Zu diesem Schluss kommen jetzt der Geologe Andrew D. Miall von der Universität von Toronto und seine Frau Charlene, Soziologin an der McMaster University in Ontario, in ihrer Veröffentlichung in der kommenden Frühjahrsausgabe von The Sociological Quarterly. Ihrer Erfahrung nach werden wissenschaftliche Arbeiten viel zu oft einfach akzeptiert, weil der Urheber auch in der Vergangenheit gute Arbeiten abgeliefert hat, in der Fachwelt schlichtweg als brillant gilt oder weil die Studie von einer angesehenen Universität oder anderen Institution kommt, aber nicht etwa, weil die vorliegende Arbeit an sich exzellent wäre."

Privatfernsehen, Internet, Wissenschaft

Georg Franck schreibt "zur Ökonomie der Aufmerksamkeit". Zu diesem Titel ist 1998 ein Buch von ihm erschienen.

"Zwei Tendenzen beherrschen die Wahrnehmung des aktuellen Wandels der Gesellschaft. Es sind die fortschreitende Ökonomisierung des Gesellschaftsprozesses und die Entmaterialisierung der wirtschaftlichen Wertschöpfung. Ökonomische Begriffe und Modelle bestimmen immer deutlicher das Bild der sozialen und politischen Verhältnisse unserer Gesellschaft. Mit der ökonomischen Durchrationalisierung einher geht der Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft. Die Wissensproduktion beerbt die Führungsrolle der Schwerindustrie, Datenströme ersetzen Güterströme, neue Medien verdrängen alte Marktplätze."

Argumentation

Informationsökonomik handelt von den Vorzügen des Informiertseins und rechnet mit dem knappen Gut "Information". Information ist heute aber nicht knapp, sondern im Überfluss durch Privatfernsehen, Internet, Wissenschaft.

Problematisch: Ressource "Verstehen" ("Informationsverarbeitung") wird ökonomisch kaum berücksichtigt, braucht jedoch Zeit und ist nicht zu beschleunigen.

"Die gezielte Steigerung des Wirkungsgrads dieser Techniken und die Entwicklung spezifischer Energiespartechniken der Informationsverarbeitung lassen von etwas wie Informationsökonomie erst reden. Die Informationsgesellschaft ist diejenige Gesellschaft, in der die Techniken zur Steigerung des Wirkungsgrads geistiger Energie wichtiger geworden sind als diejenigen zur Steigerung des Wirkungsgrads physischer Energie."

Wissenschaft ist Basis der Wissensgesellschaft, aber wie wird der Wert wissenschaftlicher Erkenntnisse mit einem Preis belegt? "Wissenschaftliche Hypothesen, Theoreme und Tatsachen werden nicht gegen Höchstgebot verkauft, sondern publiziert. Mit der Publikation werden sie der Allgemeinheit frei zugänglich gemacht. Also kann es auf keinen Fall die Bereitschaft zur Geldzahlung sein, an der sich der Wert wissenschaftlicher Information bemisst. Die Zahlung in welcher Währung könnte es aber dann sein? [...] Geld, dieser Eindruck verdichtet sich, ist nicht mehr alles."

Geld "stinkt" und reicht nicht, um zu gelten. Es dient v.a. der Selbstinszenierung, denn "Generalnenner heutiger Eliten ist Prominenz".

Nach Befriedigung der Grundbedürfnisse des Leibes rückt die eigene Person ins Zentrum und Selbstwertschätzung wird wichtiger.

"Weil inzwischen das Geschäft der Attraktion mit einer Professionalität und einem technischen Aufwand betrieben wird, der denjenigen des Geldmachens nicht mehr nachsteht, werden wir mit Information sintflutartig überschwemmt."

Die neue Währung heißt Aufmerksamkeit. "Aufmerksamkeit ist die knappste Ressource der Informationsverarbeitung. Aufmerksamkeit ist es, die wir als Zuwendung miteinander tauschen. Aufmerksamkeit ist die Währung des immateriellen Einkommens. Die Aufmerksamkeit, die sie findet, ist das Maß für den Nutzwert von Information."

"Wie Geld wird Aufmerksamkeit chronisch knapp, sobald das Angebot an Verwendungsmöglichkeiten über die Möglichkeiten seiner Realisierung hinausreicht. Im Gegensatz zur Geldmenge ist das Aufkommen an aufmerksamer Energie aber nicht vermehrbar." Daher wird die Rolle der Aufmerksamkeit immer wichtiger im Vergleich zum Geld.

"Die Art der Deklaration, ohne die fremdes geistiges Eigentums nicht verwendet werden darf, ist das Zitat. Die Gebühr, die dabei anfällt, ist die stillschweigende Überweisung eines Teils der Aufmerksamkeit, die der Zitierende für sein Werk einnimmt, auf das Konto des Zitierten. Das reguläre Maß wissenschaftlicher Information ist die Häufigkeit, mit der sie zitiert wird. Das Konto der Zitate des Autors misst dessen wissenschaftliche Produktivität [s. Science Citation Index]. Es misst diese Produktivität an derjenigen, die der Output als Input wieder anderer Produktion entwickelt. Die Messung des Outputs der Produktion an der Produktivität, die er als Input anschließender Produktionsstufen entwickelt, ist die ganz reguläre Art und Weise, auf die der Wert von Kapitalgütern gemessen wird."

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