Freie Universität Berlin, Fachbereich Mathematik und Informatik
Institut für Informatik, AG Informatik in Bildung und Gesellschaft

Kritisierung

Ziel dieses Kurses war die Erstellung von Software für das Internet-Learning im Rahmen eines Projekt-Seminars.

Alle Teilnehmer haben viel, kreativ und zielgerichtet gearbeitet (Lob!). Es hat sich tatsächlich jeder ohne Antrieb durch die Lehrveranstalter selbstständig eingebracht. Am Projektende ist ein Produkt herausgekommen.

Der Hauptziel des Projektseminars war, insbesondere Projektarbeit zu üben. Auch wenn (oder gerade weil) nicht alles perfekt lief, konnte man viel für zukünftige Projektarbeit lernen. Auch Lehrveranstalter, wenn sie eine solche Veranstaltung wiederholen wollen.

Zum Lehrveranstaltungsablauf

Trotz der Auslagerung des Grundlagenteils vom eigentlichen Projekt in eine eigene Lehrveranstaltung "Partizipation im Internet", die im Wintersemester angeboten wird, kam es wieder dazu, dass viel Arbeit zum Schluss erledigt wurde. Positiv zu vermerken ist, dass die geplante Arbeit zu wesentlichen Teilen tatsächlich zum Präsentationstermin fertiggestellt werden konnte. Dennoch hätte ich mir zum Ende mehr Zeit für Reflexion (als Transpiration ;^) gewünscht. Wodurch gab es also Verzögerungen?

Nur ein Bruchteil der Teilnehmer des Projektseminars hat die Grundlagenveranstaltung besucht. Der alleinige Hinweis, benötigtes Wissen aus der Grundlagenveranstaltung "Partizipation im Internet" nachzuarbeiten, hat nichts bewirkt. So blieben einige Aspekte unterbewertet, z.B. der Austausch der Daten in Internet-Standards und in logischer Strukturierung (HTML und CSS oder XML) statt mit optischem Markup (wie DOC und RTF).
Die Teilnehmer wurden schon im ersten Termin vor die Aufgabe gestellt. Sie sollten formulieren, welche Inhalte sie gerne zur Bewältigung der Themenstellung vermitteln bekommen wollten. Im folgenden Seminarteil waren die Themen jedoch vorgegeben. Die Relevanz der Seminarthemen wurde nicht erkannt und somit stellten die Vorträge wenig Vorbereitung zum Projekt dar.
Die Kommunikation unter den Teilnehmern lief im Projektteil nicht schlecht, hätte aber besser sein können. Es gab Probleme mit zeitlicher Abstimmung. Insbesondere wurde häufig versäumt, möglichst früh die Arbeit zu parallelisieren. Bei Parallelarbeit gab es wiederum wenig Abstimmung über die Ergebnisse. Anscheinend wurde die Kommunikation für viele als nicht wichtig eingeschätzt.
Bis zum Schluss blieben manche Designaspekte unklar, da sie nie explizit definiert wurden. Es wurden sehr selten Mails herumgeschickt, die andere in das eigene Design einweihen.
Erarbeitung fand oft im Plenum und nicht in Kleingruppen statt. Dadurch wurde die Zeit vieler gebunden und die Entwicklung ist schleppend. Wahrscheinlich wurde nur mein "Erarbeitungs"-Stil in den von mir gestalteten "Vorlesungen" aufgegriffen. Sollte ich lieber andere Vorbilder liefern und das Risiko eingehen, aus dem "Teilnehmer" wieder einen "Zuhörer" zu machen?
Es wurde "inhaltsleere" Softwareentwicklung gemacht. Ohne ein Beispiel war es schwer, die Inhalts- und die Meta-Ebene zu trennen. Außerdem war man sich so wenig bewusst, welche Anforderungen die Zielgruppe hat. Ein "echter" Auftraggeber war nicht da. Die "Pseudoauftraggeben" (wir Dozenten) wurden den Kurs über immer eher als "Entscheider", denn als "Kunde" betrachtet. Es wurde nicht der Versuch unternommen, sich auf Inhaltsebene Wissen anzueignen (Didaktik) oder nachzufragen.
Jeder Teilnehmer arbeitete vor allem mit den Techniken, die ihm vertraut waren. Es gab wenig Wissenstransfer.

Auf jeden Fall haben die Studierenden gut gearbeitet, denn am Ende des Projekts ein fertiges und funktionierendes Produkt herzustellen, ist für die begrenzten Ressourcen in Uni-Projekten (festes Projektende, Arbeitszeit neben anderen Aufgaben) nicht selbstverständlich.

Zum Produkt

Das Produkt macht einen guten Eindruck. Die Oberfläche ist aufgeräumt, wodurch es aber ungeübten Benutzern sicher schwerer fällt, sich vorzustellen, welche Inhalte sich hinter den Stichwörtern verbergen.

Technisch wurden eine Vielzahl von Techniken verwendet, wodurch die einzelnen Teile der Software unabhängig voneinander sind. Die Entwicklung wurde damit vereinfacht, jedoch gestaltet sich die Installation schwerer. Auch übergreifende Funktionen sind nicht realisiert, wie der Zugriff von Persondaten aus dem Chat oder dem Forum heraus.

Das Produkt ist also eine gut gelungene Machbarkeitsstudie. Die Erprobung steht noch aus. Sollten Sie sich für die Erprobung im Rahmen von Unterricht interessieren, nehmen Sie bitte mit uns Kontakt auf. Wir freuen uns über den Nutzen und Ihre besonderen Kritik.